Kürzlich bin ich, durch einen Hinweis eines Kollegen (Danke Hendrik), auf eine Vortrag von Gerhard Wohland gestoßen, in dem es um moderne Unternehmensführung geht.
Im Laufe des Vortrags wird zwischen komplizierten und komplexen Problemen unterschieden, und wie man mit diesen umgehen soll. Diese Überlegungen waren für mich sehr wertvoll. Es bot mir eine theoretische Untermauerung für mein Gefühl, wie immens wichtig es ist, das wahre Problem zu erkennen. Und diese Überlegungen sind auch uns als Dienstleister in der IT sehr interessant, denn schließlich werden wir von anderen dafür beauftragt deren Probleme zu lösen.
Auf der Suche nach dem wahren Problem frage ich nach dem Warum. Warum soll ein Problem überhaupt gelöst werden? Das überrascht die Kunden häufig, denn für Sie ist ihr Problem (und auch die Lösung) offensichtlich. Für mich nicht. Und nicht selten führen die Antworten auf diese Fragen zu dem wahren Problem, welches gelöst werden muss. Gerade uns als Dienstleister werden die vermeintlichen Probleme entweder vorformuliert in den Mund gelegt, oder bereits ganze Lösungen in Form einer Leistungsbeschreibung bereit gestellt.
Wenn die Frage nach dem Problem nicht gestellt, bzw. das angenommene Problem nicht hinterfragt wird, handle ich als Dienstleister fahrlässig, da ich das Risiko eingehe, nicht nur ineffizient, sondern vielleicht sogar kontraproduktiv zu arbeiten.
In meinem Selbstverständnis als Dienstleister ist es meine Pflicht das Problem zu hinterfragen, um effizient im Sinne des zu Kunden zu handeln.
Ist es überhaupt ein Problem?
Ein Problem ist ein Zustand, der nicht ignoriert werden kann. Wenn wir den Zustand ignorieren, wird er Schaden anrichten und womöglich weitere Probleme verursachen.
Im neumodischen Management Wischi-Waschi Sprech spricht man bei Problemen auch häufig von Herausforderungen. Das klingt gleich viel positiver, aber diese Gleichung ist leider falsch, und führt sprachlich zu einer Ungenauigkeit, die am Ende dazu führt, dass man das Wichtige nicht von dem Unwichtigen unterscheiden kann
Jedes Problem ist eine Herausforderung, aber nicht jede Herausforderung ist ein Problem.
Herausforderungen sind Luxus. Es besteht kein Druck diese zu meistern. Es entsteht kein Schaden wenn Herausforderungen nicht angegangen werden. Herausforderungen zu meistern macht Spaß, aber es ist eben nicht wichtig.
Und wie nennt man Dinge, die man tut, die aber nicht wichtig sind? Solche Dinge nennt man Waste oder japanisch Muda! Und Waste gilt es in unserer Rolle als Dienstleister unbedingt zu vermeiden. Dafür werden wir (in der Regel) nicht bezahlt und es ist auch nicht mein persönlicher Anspruch.
Die erste Frage ist also: Ist es ein Problem oder nur eine Herausforderung? Problems first!
Kompliziert oder komplex?
Die zweite Frage die gestellt werden muss, ist die nach der Art des Problems. Wohland unterscheidet zwischen komplizierten und komplexen Problemen. Komplizierte Probleme haben die Farbe blau. Komplexe Probleme sind rot. Die Unterscheidung zwischen beiden ist von zentraler Bedeutung, denn von ihr hängt es ab, mit welchen “Denkwerkzeugen” das Problem überhaupt effektiv gelöst werden kann.
Blaue Probleme sind kompliziert. Sie haben einen maschinellen Charakter, sind deterministisch und werden von Wohland als “tot” bezeichnet. Sie lassen sich durch Wissen lösen. Regeln, Prozesse, und Pläne sind typische Denkwerkzeuge in einer blauen Welt. Ein einmal gelöstes Problem lässt sich mit der gleichen Lösung immer und immer wieder lösen. Frederick Taylor lässt grüßen!
Rote Probleme sind komplex. Sie sind “lebendig”. Ihre Lebendigkeit ergibt sich, im Gegensatz zu den toten Problemen, aus den Überraschungen, die sich in ihnen verbergen. Rote Probleme lassen sich daher nicht mit Regeln oder Prozessen lösen. Rote Probleme benötigen gute Ideen, Erfahrung und Talente zur Lösung.
Probleme sind in der Realität aber nicht vollständig rot oder blau. Probleme sind in ihrer Gesamtheit eher lila. Jedes Problem hat rote und blaue Anteile und diese sollten auch entsprechend behandelt werden.
Die Wahl des richtigen Werkzeug
Das Rote vom Blauen zu unterscheiden ist aber nicht einfach. Wir sind in dieser Frage fast farbenblind.
Aus dem Wunsch der Vereinfachung neigen wir dazu, rote Probleme als blau zu sehen. Wir würde so gerne unsere Probleme greifbar machen. Prozesse und Regeln scheinen das zu leisten, doch der Schein trügt. Wenn es tatsächlich ein komplexes Probleme ist, dann werden diese Maßnahmen wirkungslos bleiben. Rote Probleme lassen sich nicht mit blauen Mitteln lösen.
Auf der anderen Seite können uns blaue Probleme als rot erscheinen, wenn uns das notwendige Wissen fehlt. Wenn ich die Bedienungsanleitung einer Maschine nicht lese, so kann ihre Funktion auf mich überraschend und unvorhersehbar wirken. Ein eigentlich totes Problem wird plötzlich lebendig wie ein Zombi.
Blaue Probleme können, entsprechendes Wissen vorausgesetzt, am effizientesten mit blauen Mitteln gelöst werden. Verfügt man nicht über das Wissen, dann muss man es sich besorgen. Wenn das nicht möglich ist, dann bleibt die Wahl eines roten Werkzeugs: Neue Ideen werden ausprobiert, bewertet und angepasst. Solange bis das Problem gelöst ist. Für den Experten würde ein solches Vorgehen wie “durchwurschteln” wirken, aber für den, der das Wissen nicht hat, ist es die einzige Option.
Rote Probleme können nur mit roten Werkzeugen gelöst werden. Jeder Ansatz, der auf Planung oder Wissen basiert, ist wegen der im Problem inhärent liegen Überraschung zum Scheitern verurteilt. Es wird nicht funktionieren.
Das Erkennen des Problems und die Wahl des richtigen Denkwerkzeugs ist entscheidend dafür ob, und wie effizient wir das Problem lösen können! Das tatsächliche Leben der Konsequenzen aus dieser Erkenntnis macht den Unterschied zwischen Höchstperformern und den Anderen.